Muda ist der japanische Begriff für "Verschwendung". Im Toyota-Produktionssystem werden nur solche Tätigkeit als wertschöpfend angesehen, für die der Kunde auch zu bezahlen bereit ist. Alle anderen Tätigkeiten sind per Definition Verschwendung. Verschwendung wird allerdings aufgeteilt in "vermeidbare" und "heute noch unvermeidbare". Die vermeidbare Verschwendung muß direkt beseitigt werden. Gleichzeitig sollte die heute noch unvermeidbare Verschwendung kontinuierlich reduziert werden. Ursprünglich wurden neben dem Begriff Muda auch die Begriffe Mura (Abweichung) und Muri (Überbelastung) verwendet, heute ist Muda als Synonym für alle Arten der Verschwendung allgemein üblich.
Bei den allermeisten Produktionsvorgängen werden heute 85% bis 99% MUDA toleriert. Selbst bei einem der besten japanische Unternehmen - Toyota - liegt diese, nach eigenen Angaben, immer noch bei > 30%. Verschwendung wird generell nach höchsten Maßstäben, z.B. nach Dr. Ohnos "KLICK"-Philosophie, bewertet.
Die strenge Toyota-Sichtweise von nicht wertschöpfender Tätigkeit erfordert in vielen Fällen einen Paradigmenwechsel. Kontinuierliche Verbesserung bedeutet dabei das schrittweise Entfernen von MUDA in einem Prozeß (ähnlich dem Abschälen der einzelnen Lagen einer Zwiebel), um an den wertschöpfenden Kern eines Prozesses zu gelangen. Da dieses Konzept eine Vielzahl von Verbesserungsmöglichkeiten in sich birgt, ist es um so erstaunlicher, daß nur wenige Unternehmen dieses als Grundlage eines Programms zur kontinuierlichen Verbesserung in ihre Kultur integriert haben.
MUDA wird aufgegliedert in 7 + 1 Arten:
Wenn mehr Teile produziert werden als der Kunde derzeit tatsächlich benötigt, sprechen wir von Überproduktion.
Überproduktion wird im Toyota-Produktionssystem als die "schlimmste Art der Verschwendung" bezeichnet, da sie alle anderen Verschwendungsarten nach sich zieht.
Überproduktion oder eine "Just-in-Case"-Produktion d.h. eine "Nur-für-den-Fall-daß" entsteht unter anderem durch folgende Unzulänglichkeiten:
Überproduktion ist theoretisch alles, was die exakte Anforderung der Kunden in Bezug auf Menge, Art und Liefersequenz übersteigt.
Die Überlegungen bezüglich Maschinenauslastung bei langen Rüstzeiten verleiten oftmals zur Kalkulation wirtschaftlicher bzw. minimaler Auftragsmengen, welche die Grundlage für die vermeintlich "optimale" Losgröße bilden.
Diese Vorgehensweise wurde jahrzehntelang vom Management akzeptiert. Die Achillesferse dabei ist, daß vom Management oft lediglich die leicht zu messenden Kosten wie, Abschreibungen und die Kosten für direkten Mitarbeiter gesehen wurden, ohne den weitaus höheren Kostenfaktor (die durch Überproduktion entstehende Verschwendung) zu berücksichtigen. Die Folge dieser Kalkulation ist, daß speziell teure Maschinen ständig betrieben werden und damit einen entscheidenden Beitrag zur Verschwendung durch Überproduktion liefern.
Ein weiterer Faktor für die Entstehung von Überproduktion sind Sicherheitsreserven, die aufgrund der oben genannten Unzulänglichkeiten "notwendig" werden, und basieren meistens auf dem Paradigma " Es kann ja mal etwas passieren".Dieses Paradigma hat eine weitere Losgrößenerhöhung von 10-20% zur Folge.
Anstelle eine Verbesserung der oben genannten Situation mit Hilfe einer systematischen Ursachenanalyse, Problemlösung und kontinuierlicher Prozeßverbesserung voranzutreiben, wird diese Situation vielfach nach dem sogenannten Prinzip " See der Bestände" gemanagt ( siehe Lagerbestände)
Die Grundlage der Just-in-Time-Philosophie ist die schrittweise Minimierung der Überproduktion mit Hilfe von Methoden, wie Kanban, Auto-no-mation (Jidoka), Ein-Stück-Fluß und die Schaffung von Wertschöpfungsketten, Kapazitätsnivellierung und einem dem Produktionsfluß angepaßten Layout.
Bestände können in drei Kategorien eingeteilt werden:
Jede dieser Kategorien existiert aufgrund typischer Denkweisen:
Diese Lagerhaltung rechtfertigt sich normalerweise durch Mengenrabatte oder eingesparte Transportkosten. Grundsätzlich gilt aber, daß diese Einsparungen aber immer mit den echten Kosten der Lagerhaltung verglichen werden müssen. Sichergestellt werden muß bei dieser Methode auch, daß Änderungen der Kundenanforderungen oder Probleme der Anlieferqualität diese Bestände nicht unbrauchbar machen.
Ein Weg der das Nützliche mit dem Praktischen zu verbinden besteht darin, dem Lieferanten Konsignationshandel vorzuschlagen, d.h. eine vorher festgelegte Menge von Waren Ihres Lieferanten lagert in Ihrem Unternehmen, Sie zahlen aber erst wenn sie die Ware tatsächlich benötigen. Lieferanten oder Fachhändler in stark konkurrierenden Märkten werden dieser Methode zustimmen.
Die effektivere Lösung ist allerdings eine enge Beziehung zum Lieferanten aufzubauen, um durch gemeinsames Verständnis und verknüpfte Systeme (z.B. elektronischer Datenaustausch) die Reaktionszeit zu verbessern und damit Sicherheitsreserven abzubauen.
Typische funktionale Layouts unterbrechen den Wertschöpfungsprozeß und bilden "Inseln" mit Unterprozessen, in denen jeder einzelne Losgrößen fertigt. Industrial Engineering Abteilungen ermitteln, mit sogenannten Zeit- und Bewegungsstudien (wie etwa MTM etc.), die "optimale" Stückzeit je Einheit. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der optimalen Nutzung von Mensch und Maschine, um ein Bauteil oder eine Baugruppe zu fertigen. Ignoriert werden hiebei oft die realen Kosten, die entstehen, durch z.B. Bestände und die Erhöhung der Gesamtdurchlaufzeiten für Produkte oder Prozesse. Könnten die Gesamtdurchlaufzeiten halbiert werden, würden Bestände halbiert und eine grundlegende Kostenreduzierung könnte vollzogen werden.
Lösungsansätze zur Reduzierung von Beständen:
Diese Art der Lagerhaltung entsteht vielfach, durch mangelndes Vertrauen der Disponenten in die Fertigung, die sicherstellen wollen, daß jedes Produkt jederzeit lieferbar ist.
Sollte ein Disponent einmal von den Produktionsversprechungen enttäuscht worden sein, ist es sehr wahrscheinlich,daß bei näherer Betrachtung der unvermeidlichen Probleme mit Qualität ,Lieferfahigkeit, Mitarbeiter und Anlagen, ein dementsprechender Sicherheitsbestand eingeplant wird.
Saisonbedingte Schwankungen stellen einen weiteren Grund für ein erhöhte Lagerhaltung an Fertigprodukten dar. Fertigteillager werden aufgebaut, um eine gleichmäßig hohe Auslastung der Maschinen zu garantieren. Die Vorgehensweise macht nur dann Sinn, wenn die totalen Kosten für diese Lagerhaltung kleiner sind, als nur die Kosten für Abschreibungen oder die Kosten zur Erhöhung der Kapazität. Diese maschinenintensiven Operationen, die heute dieses Vorgehen rechtfertigen, brauchen trotz alledem die Analyse der wahren Auslastungsdaten und Kapazitätsvorgaben und daraus folgend in wie weit TPM- und SMED-Programme die Flexibilität, Kostenstruktur und Stabilität verbessert.
Lösungen
Verbesserte Flexibilität (kurze Durchlaufzeiten) und höhere Zuverlässigkeit.
Zunächst einmal müssen die tatsächlichen Kosten der Überproduktion und der Bestände berechnet werden. In den EOQ-Berechnungen (Economic Order Quantity = wirtschaftliche Bestellmengen) werden die Bestandskosten zu den Kosten für gebundenes Kapital (Zinsen), die normalerweise 5% - 10% betragen, zugeordnet.
Die Realkosten müssen die Verwaltungs- und Betreuungskosten für das Lager, Kosten für Transportwege, Kosten für Einrichtung und Instandhaltung des Lagers, Abschreibungskosten, Kosten für Heizung, Licht und schließlich für überalterte Ware und versteckte Qualitätsprobleme enthalten.
Die tatsächlichen Lagerhaltungskosten werden immer drastisch unterschätzt. Durchschnittlich betragen die Lagerkosten jährlich 25-30% des Lagerwertes, wenn man den annimmt, daß die Lagerumschlagshäufigkeit 10 pro Jahr beträgt. Sind die Umschlagszahlen niedriger z.B nur 5 mal pro Jahr, werden die totalen Kosten der Lagerhaltung auf bis zu 50% ansteigen. Abhängig von den prozentualen Materialkosten ihres Umsatzes, kann der Einfluß einer Reduzierung der Umschlagshäufigkeit auf den Profit vor Steuer bis zu 5% des Umsatzes betragen.
Transporte von Produkten, Materialien und Mitarbeiter dienen nicht der Wertschöpfung eines Produktes aus Sicht des Kunden.
Die beiden Hauptursachen für Transporte liegen in nicht zusammenhängenden Fertigungsprozessen (isolierten Inseln) und Überproduktion. Aus diesem Grund wird es notwendig, Material von einen Prozeß zum Nächsten oder in Zwischenläger und zurück zu transportieren. Gleichermaßen werden große Mengen an (unnötigen) Material im Prozeß bewegt und transportiert, um an "versteckte" Materialien zu gelangen.
Die Kosten für den Transport beinhalten alle Arten von Flurförderfahrzeugen und dem Bedienpersonal, sowie alle Mitarbeiter der Materialbereitstellung. In manchen Unternehmen gibt es sogar spezielle Transport-Lkws die zwischen bestimmten Fabrikabschnitten verkehren. Hinzu kommt, daß Transportschäden oft die wesentliche Ursache für spätere Qualitätsmängel sind.
Lösungen
Lösungsansätze zur Minimierung dieser o.g. Probleme sind, die Schaffung von örtlich und zeitlich zusammenhängenden Prozessen mit produktorientiertem Flußlayout und direktem Transport zwischen den Prozeßschritten (siehe hierzu Materialflußsystem zwischen Arbeitsstationen).
Ein typisches Beispiel für Wartezeiten sind Mitarbeiter, die eine Maschine "überwachen" während diese in Betrieb ist. Bestehende Paradigmen und Vorschriften, z.B. von Gewerkschaften, akzeptieren oder verlangen, daß "ausgebildete" Mitarbeiter Prozesse konstant überwachen, obwohl sie automatisch oder halbautomatisch ablaufen könnten.
Ein Lösungsansatz hier beinhaltet:
Eine andere Art der Wartezeit im Prozeß ist, daß permanent Mitarbeiter nur zur Bestückung von Maschinen benötigt werden. Während der Laufzeit der Maschine wartet der Mitarbeiter auf den nächsten Ladevorgang.
Der große Vorteil von Ein-Stück-Fluß und Mehrmaschinenbedienung ist, Abläufe und Prozesse so zu organisieren, daß Material- Maschinen- und Mitarbeiterwartezeiten so gering wie möglich sind.
Es gibt zwei Ursachen von Verschwendung im Prozeß: Zum einen die Entstehung von zusätzlichen Prozessen, um die gewünschten Ergebnisse zu erreichen, weil der ursprüngliche Prozeß nicht fähig ist (siehe auch Cpk). Zum anderen entsteht Verschwendung, wenn Zykluszeiten zu lang sind, d.h. die Leistungsfähigkeit der Prozesse und Anlagen nicht ausgenutzt wird.
Verschwendung im Prozeß sollte als Abnormalität gesehen werden, denn hier verläuft ein Prozeß nicht den Standards entsprechend. Häufig führen nicht fähige Prozesse zu einem zusätzlichen Arbeitsaufwand in Nachfolgeprozessen und werden somit von ihnen "toleriert und kompensiert", z.B. zusätzliche, manuelle Qualitätskontrollen.
Mit Hilfe von Benchmarking können neue Lösungsmöglichkeiten zur Entwicklung neuer Prozesse und Werkzeuge gefunden werden, die den ursprünglichen Prozeß vereinfachen und verbessern.
Abläufe mit Bewegungen beinhalten folgendes:
Um unnötige Bewegungsabläufe zu vermeiden ist es notwendig, optimale Bewegungsabläufe zu standardisieren, Bewegungen zu minimieren (Das Prinzip der wirtschaftlichen Bewegung) und zu Arbeitsplätze und Abläufe zu organisieren (5S). Diese Maßnahmen werden ebenfalls die der Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen positiv verbessern.
MUDA zeigt sich deutlich an unnötigem Aufwand, ineffektiver Nutzung der Ressourcen und in Qualitätsproblemen.
Diese Probleme ziehen sich durch den gesamten Prozeß, bis ein Produkt außerhalb der vorgeschriebenen Spezifikationen liegt oder Fehlfunktionen aufweist. Gründe hierfür liegen in mangelnden Prozesskontrollen und Ursachenanalysen. Das führt Unternehmen in einen Teufelskreis von übermäßigen Qualitätskontrollen und verursacht hohe Nacharbeitsraten, Kundenreklamationen und höheren Arbeitsaufwand.
Lösungsansätze für diese Probleme liegen in kontinuierlichen Verbesserungsprogrammen, die ihre Ausrichtung auf Prozesskontrolle und Stabilisierung haben. Produktanalysen helfen die Produkte zu modifizieren und ggf. die Komplexität zu senken.
Diese achte Art der Verschwendung ist nicht in der traditionellen Definition von Muda zu finden. Aus Sicht des Autors gilt es in erfolgreichen Unternehmen diese Verschwendung der menschlichen Gesundheit durch ungesunde oder gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, die immer in Verletzungen und Langzeiterkrankungen enden, zu vermeiden.